Ein Bericht von Karsten Broockmann im Hamburger Abendblatt


Selbständig: Robert Kanngießer - Food Stylist

Am Anfang steht eine Idee. Doch was in den Köpfen steckt ist oft nur schwer zu verwirklichen. Da ist der Berufsalltag, da sind die Skeptiker, fehlende Marktkenntnisse, die Kosten, die entmutigen und eventuell bahnbrechende Entwicklungen auf der Strecke bleiben lassen. Dennoch verzichten immer wieder junge Handwerker, Ingenieure und Tüftler auf eine sichere Karriere, wählen das Risiko der Selbständigkeit. Die Harburger Rundschau stellt Menschen vor die den unbequemen Weg mit ungewöhnlichen Produkten gehen.

Aus der Küche ins eigene Studio

Hamburg - Als Robert Kanngießer Ende der 80er Jahre mit seiner Ausbildung zum Fotograf begann, hatte der heute 34 jährige ein glänzende Karriere als Koch vor Augen. Denn gleich nach seiner ersten Lehre war er 1981 im Team des Niedersächsischen Hotel und Gaststättenverbandes Deutscher Mannschaftsmeister der Köche geworden.
Im selben Jahr siegte Kanngießer im niedersächsischen Wettbewerb und belegte als Einzelstarter den vierten Platz bei der Deutschen Meisterschaft.
Anschließend arbeitete er jede Saison in einem anderen Hotel, darunter so renommierte Häuser wie das Wiener Hilton und das Kempinski Berlin.

„Als Koch bin ich ständig umgezogen. Irgendwann habe ich mich gefragt, wie das funktionieren soll, wenn ich eine Familie habe“ begründet er seinen Entschluß trotzdem einen neuen Beruf zu erlernen. Ein Praktikum gab schließlich den Ausschlag: Der Hobbyfotograf der in seiner Freizeit Modeschauen für die Deutsche Presseagentur (dpa) besucht hatte, ließ sich in einem Bremer Werbestudio zum Fotografen ausbilden: „ Ich habe mich bewußt für Werbefotografie entschieden, weil das Spektrum dort breiter ist als in einem Portraitstudio. Wir mußten während der Ausbildung auch Klobürsten möglichst wirkungsvoll fotografieren,“ erinnert sich Robert Kanngießer, der inzwischen beide Berufe miteinander kombiniert. Seit 1991 arbeitet er als selbständiger Foodstylist und Fotograf für Fachzeitschriften wie „Die Küche“, fotografiert Spezialitäten oder arrangiert die eßbaren Auslagen der Messestände.

„Es hätte keinen Sinn gehabt, als Modefotograf zu arbeiten, zumal es unter den guten Lebensmittel - Fotografen nur wenige gibt, die über ein umfangreiches Fachwissen auf beiden Gebieten verfügen“, sagt er. Doch gerade das Fachwissen kann bares Geld wert sein, wenn Eis nicht zu schnell schmelzen darf oder schon wieder kaltes Essen immer noch aussehen soll, als käme es gerade aus dem Topf. Und kalt sind die Speisen fast immer, denn das Arrangieren und Ausleuten der Objekte dauert häufig Stunden.“ Wenn Saucen mit Butter oder Mehl gemacht würden, hätte sie längst eine Haut gezogen, bevor ich das erste Bild gemacht hätte“, sagt Kanngießer.

Trotz solcher Schwierigkeiten verzichtet der Foodstylist, der unter anderem für den Otto- Konzern, Heimfrost und Kraft fotografiert, auf manchen bekannten Trick: Eine Ente mit Gips zu füllen oder Schokoriegel mit Altöl zu übergießen, käme ihm nicht in den Sinn. „ Man darf den Kunden nicht betrügen. Zwischen Foto und Packungsinhalt darf es keinen Unterschied geben“, sagt der Fotograf und Koch, der auch aus farblichen Gründen keine Maiskolben zu einem Gericht legen würde, wenn die Delikatessen nicht zusammenpassen.

„Das schwierige bei dieser Arbeit ist, daß die Menschen die abgebildeten Gerichte weder schmecken noch riechen können. Deshalb muß das Aussehen natürlich stimmen. Trotzdem muß ein Gericht auch schmecken, wenn es nachgekocht wird“, sagt Robert Kanngießer. Damit die Optik stimmt, ist die Pinzette eines seiner wichtigsten Werkzeuge. Nicht selten werden die Reiskörner einer Reispfanne in mühevoller Kleinarbeit in die richtige Lage gebracht. Saucen kommen meistens aus der Einwegspritze und kleinste Fettflecken auf dem Teller müssen mit Watte entfernt werden.

Wieviel Geduld der Beruf erfordert wird jedoch erst deutlich, wenn der Foodstylist von Werbeaufnahmen für einen bekannten Kaffeekonzern berichtet: „Wir waren mit 15 Leuten einen ganzen Tag damit beschäftigt, wenige Meter Film zu drehen. In einer Tasse sollte sich dampfender Kaffee mit einer Schaumkrone drehen. Dafür mußte jede Tasse neu gebrüht werden, weil sich bei altem Kaffee die ätherischen Öle lösen und dadurch keine Krone mehr entstehen kann.“.

Eine ähnliche Geduld hat Robert Kanngießer auch beim Aufbau seines Geschäftes bewiesen. Weil ihm nach der zweiten Ausbildung das Geld für eine teure Studioausrüstung fehlte, begann der Fotograf mit einer 40 Jahren alten Großbildkamera.“ Ein Objektiv hatte sogar schon Muschelfraß, aber ich konnte Bilder machen“, sagt er. Inzwischen arbeitet Kanngießer mit modernen Licht- und Fotoanlagen, denn der Umsatz von „robert kanngießer food & foto“ stieg in jedem Jahr.

Nächstes Ziel des Jungunternehmers ist ein Studio außerhalb des Wohnhauses. In etwa 4 Jahren möchte er 3-4 Mitarbeiter beschäftigen. „Das geht allerdings nur, wenn ich einigermaßen sattelfest bin. Schließlich habe ich dann den Leuten gegenüber eine Verantwortung“, sagt Robert Kanngießer.